Die Dänische Botschaft in Berlin hatte am Wochenende 3./4. März 2018 das Baggaard Teatret (= Das Hinterhoftheater) eingeladen, das aus Bertolt Brechts „Svendborger Gedichten“ ein furioses Schauspiel entwickelt hat und nun auch in Berlin zeigte.
Auch aus Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“ wurde zitiert:
„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
……
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
……….“
Wir (Bürgerintiative SilberahornPLUS) schweigen nicht zu den Untaten in Syrien, zu den Abschiebungen nach Afghanistan oder zu den Diskriminierungen von Obdachlosen, deren Wohnzimmer der Kleine Tiergarten ist. Zugleich sprechen wir über Bäume – Bäume in Berlin, die zugunsten von Investoren gefällt werden, ohne Rücksicht auf die Wohnbedürfnisse von AnwohnerInnen. MieterInnen nehmen die Nachteile von Wohnungen in eng bebauten Gründerzeitvierteln hin, weil Hof- oder Straßenbäume sie die Natur und den Wechsel der Jahreszeiten erleben lassen – im steinernen Berlin.
Den „Machern“ in Berlin sind offenbar solche menschlichen Gefühle und Bedürfnisse nach Naturkontakt und Schönheit egal. Die Baumschutzverordnung wird durch die Berliner Bauordnung außer Kraft gesetzt: Wenn ein Grundstücksbesitzer bauen will, werden auch große alte Bäume gefällt.
Aktuelles Beispiel: Essener Str. 23
Den schweren Stürmen des Herbstes 2017 hatte die hohe Ulme geschmeidig widerstanden – die Stihl-Säge hat sie in eineinhalb Tagen vernichtet.
Was ist das für ein Rechtsstaat, der es erlaubt, dass Gesetze und behördenverbindliche Pläne sich selbst aufheben und ihre sozialen Ziele und Umweltgrundsätze verraten? Beispiele: BauGesetzBuch des Bundes, Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm von Berlin. Die Berliner Bauordnung von 2006 verzichtet auf Bürgerbeteiligung, Gesundheits-, Umwelt- und Naturanliegen: „Schlanker Staat“, „schlanke Verwaltung“, „nachhaltige Deregulierung“ sind das neoliberale Credo des Senats in der Berliner Bauordnung.
Viele Wohnungen in den Hinterhäusern von Essener Str. 22 und 23 haben nur Fenster nach Norden. Dank der Baulücke mit riesiger Ulme und dicker Wandbegrünung mit Efeu und Wildem Wein hatten die BewohnerInnen dennoch einen schönen Ausblick. Der wird nun durch die Baulückenbebauung verbaut, auch die jahrzehntealte Wandbegrünung zerstört, die Hinterhofmisere der Gründerzeit neoliberal wiederhergestellt. Wer kann, zieht weg, zur Freude des Hauseigentümers, der von Neumietern höhere Mieten kassieren kann. Auch eine Wohnung ohne Sonne und Aussicht wird er heutzutage sicher los.
Nicht nur Bäume und Grün, auch der gewachsene soziale Zusammenhalt im Kiez wird durch „Bauen, bauen, bauen!“ zerstört.

Die freigefällte Baulücke soll bebaut werden – auch wenn so der Hinterhof der Gründerzeit wieder hergestellt wird. (Aklicken vergrößert).
„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
……
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
……….“
5. März 2018, Brigitte Nake-Mann