Der „Tag der offenen Tür“ am 12. Sept. 2015 lockte viele Eltern und Kinder und ebenso MoabiterInnen ohne Kinder in die Jugendverkehrsschule Bremer Straße 10. Endlich konnte man sich das Übungsgelände und das Häuschen mal ansehen. Ist es wirklich so unbrauchbar und sanierungsbedürftig, wie die Papiere der Schulstadträtin es behaupten?
Der ADFC (Allgemeiner Deutscher FahrradClub) hatte für Kinder einen Geschicklichkeitsparcour aufgebaut. Dort übten und balancierten vor allem jüngere Kinder. Im größeren Teil des Geländes mit Kreisverkehr, Ampelkreuzung, Vorfahrtsstraße und Radwegen leiteten drei MitarbeiterInnen einer gemeinnützigen Einrichtung, die Jugendverkehrsschulen betreibt, die Kinder zum regelgerechten Fahren an. Die Kinder bekamen Helme und Fahrräder aus den Beständen der Jugendverkehrsschule, wenn sie keine eigenen Räder mitgebracht hatten. Die Ampelanlage funktionierte, die Räder der JVS waren gut im Schuss, lobten die fachlichen BetreuerInnen.
Erwachsene sahen dem vergnügten Treiben von den Bänken aus oder im kurz geschnittenen Gras sitzend zu. Viele nahmen auch das Angebot an, bei den drei Geländeführungen mehr zu erfahren.
„Was für ein großer Raum!“ staunte eine Besucherin, als sie den Schulungsraum der JVS betrat – Stuhlkreis, Tafelbilder mit Verkehrssituationen, Regale mit Info-Material zeigten, dass hier der kurze theoretische Teil stattfindet, wenn Grundschulklassen zum Üben in die JVS kommen. Die Wände könnten mal heller gestrichen werden und die Rollläden vor den großen Fenstern repariert. Aber sonst? Die Toiletten funktionieren. Dass Wandkacheln und Fußböden dem Geschmack der 1960er Jahre entsprechen, hindert die Benutzung nicht. An einer Stelle war/ist das Flachdach undicht. Da wäre eine Reparatur vordringlich. Aber keine Dachsanierung für 64.000,– Euro ! Insgesamt hat das Schulamt 337.000 Euro für die Sanierung des Häuschens veranschlagt.
Die Absicht des Bezirksamts, die JVS Bremer Straße mit Wohnungen zu bebauen, ist der eigentliche Grund für das Vorhaben, die Jugendverkehrsschule zu schließen. Deshalb wird sie amtlich schlecht gemacht und teuer gerechnet.
Als gegen halb vier auch die Schulstadträtin, Frau Smetek, durch die „Offene Tür“ die Jugendverkehrsschule betritt, versuchen einige MoabiterInnen, ihr nahe zu bringen, dass die JVS Bremer Straße erhalten und verbessert werden muss. Wohnnahe Übungsmöglichkeiten für Schul- und Kitakinder! Öffnung auch am Nachmittag und am Wochenende! So wie am „Tag der offenen Tür“ könnte das schöne, baumbestandene Gelände immer eine belebte Kiezoase für Jung und Alt und Übungsplatz für die Kinder in Wohnungsnähe sein. „Es kommen doch viele Flüchtlingskinder zu uns“, gibt ein älterer Herr zu bedenken, „die brauchen doch ganz besonders die Jugendverkehrsschule, zum Lernen und zu ihrer Integration!“
Das Bezirksamt selbst – so ein anderer Bürger – habe im Mai 2014 das ämterübergreifende Ziel festgelegt, dass die Region Moabit (mit der JVS) wegen der schlechtesten Versorgung mit wohnnahem Grün in ganz Mitte und großer sozialer Problemdichte kein Potential für Wohnbau aufweist. Vielmehr sollten hier „Attraktive Aufenthalts- und Bewegungsräume, besonders für Jugendliche und ältere Menschen“ geschaffen werden. – Das passt doch genau auf eine neu konzipierte JVS Bremer Straße 10! (Anregungen und Vorschläge gibt es schon länger!)
Nein, als Schulstadträtin ist sie nur für die Radfahr-Infrastruktur zuständig und die JVS Gottschedstraße in Wedding reicht für ganz Mitte (gerechnet für 33 von 41 Grundschulen), und falls doch nicht, dann könne ja in (unabsehbarer) Zukunft die JVS Berolinastraße (beim Rathaus Mitte) reaktiviert werden, sagt Frau Smentek.
Auch einige BVV-ler waren (zum ersten Mal) in der JVS Bremer Straße. Hoffentlich haben sie das Potenzial des Geländes fürs Kiezleben und für das Verkehrssicherheitstraining für Moabiter Kinder erkannt. Denn nur durch eine politische Ablehnung des Schließungsantrags des Bezirksamtes durch die gewählten Bezirksverordneten ist die JVS Moabit in der Bremer Straße zu retten.
Der „Tag der offenen Tür“ in der Jugendverkehrsschule war eine Idee der „Arbeitsgruppe JVS“ der Stadtteilvertretung Turmstraße. (Bericht und Fotos, s. hier). Die Stadtteilvertretung ist gewählte „Betroffenenvertretung“ im “Aktiven Zentrum und Sanierungsgebiet Turmstraße“ und hat sich seit Juni 2014 für Erhalt und Verbesserung der JVS Moabit eingesetzt.
Das Zustandekommen des „Tages der offenen Tür“ wurde durch die organisatorische Unterstützung durch den BUND (Bund Umwelt und Naturschutz), Landesverband Berlin, ermöglicht.
Gabi Jung (BUND) war bei den Planungen und Vorbereitungen und am Samstagnachmittag hilfreich dabei, so bei den drei Führungen. Sie berät Berliner Schulen bei der Mobilitätserziehung. Erhalt und Verbesserung der geschützen Räume der Jugendverkehrsschulen in Schul- und Wohnungsnähe sowie die verbesserte Aus- und Weiterbildung der GrundschullehrerInnen für das Fach Mobilitätserziehung sieht sie als vordringlich an.
Zu einem Grußwort war der SPD-Abgeordnete Fréderic Verrycken, MdA, aus Charlottenburg gekommen. Er ist ein Freund und Förderer von Jugendverkehrsschulen und freut sich, dass der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sich erfolgreich um das Pilotprojekt „Jugendverkehrsschule als außerschulisches Zentrum für verkehrssicherheitsbezogene Lern- und Trainingsangebote im Bezirk“ aus dem „Verkehrssicherheitsprogramm Berlin 2020“ des Senats beworben hat. Die JVS Lohschmidtstraße wird neue Konzepte entwickeln. Für Mitte und Moabit ist interessant, so berichtete Fréderic Verrycken, dass im Abgeordnetenhaus an Konzepten gearbeitet wird, die die Arbeit der Jugendverkehrsschulen in Berlin stabilisieren, konzeptionell erweitern und finanziell absichern sollen. Auch wenn das Ziel, Wohnraum zu schaffen, in Berlin vordringlich sei, dürfen doch gleichrangige soziale Belange im Wohnumfeld und Bildungsnotwendigkeiten nicht vernachlässigt werden.
Martina Arnold, Präsidiumsmitglied der Landesverkehrswacht Berlin und beruflich im Bezirksamt Pankow tätig, erinnerte daran, dass schon im September 2014, bei der ersten Moabiter Demonstration für die JVS Bremer Straße, die Landesverkehrswacht aktiv mitgewirkt hat. Sie wird auch weiter, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, sich für die JVS Bremer Straße einsetzen. Beispielweise könne die Landesverkehrswacht bei der Gewinnung von Sponsoren hilfreich sein.
Aus Pankower Erfahrungen müsse sie warnen: hier seien in den letzten Jahren zu viele Freiräume zugebaut worden, Kinder werden im öffentlichen Raum eingeschränkt und an notwendiger Bewegung gehindert. Das traurige Hickhack um die tageweise Ausweisung von verkehrsberuhigten Straßen als „Spielstraßen“ zeige die Brisanz.
Norbert Kesten vom ADFC, der mit weiteren ehrenamtlichen Helfern den Geschicklichkeitsparcour für die radelnden Kinder betreute, bestückte sein Grußwort mit scharfer Kritik am „Infrastrukturkonzept für Mobilitätserziehung in Berlin-Mitte“ der Schulstadträtin.
Aber so wie heute sei der ADFC auch weiter bereit, das Angebot der Jugendverkehrsschule Moabit durch Übungsangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ehrenamtlich zu bereichern.
Ich selbst habe teils aktiv, teils teilnehmend beobachtend am „Tag der offenen Tür“ der Jugendverkehrsschule Bremer Straße teilgenommen. Allen genannten und ungenannten helfenden Händen und Köpfen danke ich im Namen der Bürgerinitiative SilberahornPLUS herzlich.
13./15. Sept. 2015, Brigitte Nake-Mann