VERHÄNGNIS DES GELDES

Die Bürgerinitiative Silberahorn PLUS informierte über die Neuplanung des
Kleinen Tiergartens Ost.
(Bericht von unserem korrespondierenden Mitglied KERN.)

Während sensible Bürgerinnen und Bürger mit Hacke, Rechen und Müllsäcken denkmalwerte Details des östlichen Kleinen Tiergartens (KT-Ost) freilegen, damit das Gartendenkmal der 1950er Jahre sichtbar und weitgehend erhalten wird, drängen 4 Millionen Euro auf totale Umwälzung und weitgehende Vernichtung der Gartenqualitäten.

Stadtgartendirektor Willy Alverdes hatte die nützliche Schönheit des KT-Ost nach dem
2. Weltkrieg mitten in Moabit neu geschaffen. Die teure Vernichtung dieser Qualitäten muß als trauriges Fazit des informativen Rundgangs festgehalten werden, zu dem die Bürgerinitiative SilberahornPLUS mit der BürgerparkgruppeMoabit, die sich um die Gartendenkmalpflege bemüht, am Sonntag, 14. Juli 2013 öffentlich eingeladen hatte.
Ziel des Rundgangs mit rund 25 Teilnehmenden: Auf Natur- und Nutzungsqualitäten der vernachlässigten Gartenarchitektur mit ihren Blumen, im Frühjahr blühenden Büschen, mit Bänken und Brunnen, besonderen Parkbäumen, Vogelwelt und Wegeführungen sowie integrierten grünen Wohngärten aufmerksam zu machen, bevor am 24. Juli 2013 das beauftragte Planungsbüro mit der Bezirksverwaltung die totale Umgestaltung präsentiert.
Vor dem Rundgang wurde die Millionen-Investition an aktuellen Plänen erläutert. Es wurde auch klar, was Bürgerbeteiligung in diesem Fall heißt: Bürgeranregungen nahmen die Planer nur in bescheidenem Maße, manchmal verfälschend auf. Manches wurde zunächst akzeptiert, später aber wieder weggeplant, wie der ertrampelte Diagonalweg über die große Wiese (Verbindung zwischen Kirchstraßenquartier und Post). Der zähe Kampf um – laut Fachgutachten – erhaltenswerte Bäume, die Planopfer werden sollen.

Nach der Übersicht an Plänen erhielten die Teilnehmenden beim Rundgang konkrete Anschauung über die Details an Ort und Stelle.
Die Planer Latz + Partner – Preisträger eines europaweiten Wettbewerbs – scheinen selbst nicht hinter ihrem eigenen Konzept zu stehen, wie mehrfache willkürliche Änderungen der Parkwege kreuz und quer beispielhaft zeigen. Die Korrektur eigener Fehlleistungen wird als Planungsvorteil für den Park dargestellt! – Schlimmer: Der Anspruch der Planer, den Kleinen Tiergarten für Bedürfnisse „aller“ Bevölkerungsgruppen neu zu gestalten, wird durch Verfahren und Ergebnis der Planung Lügen gestraft. Nicht anders geht es dem Stadtentwicklungsplan Klima für Berlin von 2011.
Wer sich mit sach- und fachkundiger Mitarbeit intensiv beteiligte – wie vom Bezirksamt offiziell gewünscht –  wurde oberflächlich abgefertigt, hingehalten oder sein Anliegen im Ergebnis gezielt verwässert.
Ein Beispiel: In öffentlichen Info-Veranstaltungen und Workshops wurde von AnwohnerInnen immer wieder gebeten, den schützenden Gebüschrand des Parks – zugleich Vogelbiotop, im Frühjahr farbige, duftende Blütenpracht – zu erhalten; weitgehend vergeblich.  Der kleine Park wird mit vielen großen Öffnungen zu den Straßen aufgerissen. Er degeneriert zum Straßenbegleitgrün. Selbst neben dem „Cafe am Park“ werden Sträucher zur Stromstraße hin beseitigt und damit auch der vorhandene minimale Schutz der Gäste und Parknutzer vor über 40.000 Kfz/Tag. – Park-Aufwertung? Entsetztes Kopfschütteln beim Rundgang.
Der bedarfsgerechte Diagonalweg über die große Wiese zwischen Kirchstraßenbereich und Post Lübecker Straße – erst spontan ertrampelt, dann offiziell mit großen Granitplatten befestigt – soll den Moabitern mit Planungsmillionen wieder genommen werden. Die Erhaltung wurde in vielen Veranstaltungen mit guten Gründen gefordert, war in einer Zwischenplanung auch berücksichtigt, ist aber jetzt wieder durch angeblich „direkte“ Zick-Zack-Wege ersetzt. Die Leute sollen sich doch bitte höherer Planungsweisheit anpassen. (Zumindest sollten die Planer sich verpflichten, die Kosten zu übernehmen für den Fall, dass der Diagonalweg wieder ertrampelt wird und erneut befestigt werden muss, weil die Planerprognose realitätsfern war.)
Vom beliebten Sandspielplatz für Kleinkinder neben dem Weg soll nur ein Mini-Rest bleiben – gegen den vielfach geäußerten Bürgerwunsch der Kompletterhaltung.
Zahlreiche Bäume, die durch Baumgutachten bei langer Lebensdauer als erhaltenswert eingestuft sind, sollen gefällt werden.   Mehr als 20 % der Vegetationsfläche wird in überbreite sterile Wegeflächen umgebaut. Damit gehen Bodenleben, Tier- und Pflanzenbiotope verloren und das Kühlungspotential in der Stadt wird reduziert – ein kontraproduktiver Beitrag zum Stadtentwicklungsplan Klima. Und zum Grünmangel Moabits.
Der Park wird durch generelle Öffnung für Radverkehr mit ca. 20 Einfahrten am Rand zur Verkehrsfläche. Ungestörte Erholung im wohnnahen Grün des hoch verdichteten Moabit wird planvoll verhindert. Dabei ist es für Radler kein Problem, den kleinen Park auf angrenzenden Straßen und Radwegen zu umfahren – es geht um wenige 100 Meter. Vor allem aber ginge es um eine Parkgestaltung mit (wenigen) sinnvollen Zugängen.

Unter den schachbrettartig gepflanzten neun Linden zwischen Gartenhöfen und Rollerbahn soll die bisher befestigte, vielbegangene Fläche in Rasen umgewandelt werden, obwohl Rasen im Schatten unter Bäumen kaum gedeihen kann und obwohl dort, wo Rasen gedeihen würde, vorhandene Wiese in neue Wegefläche kostspielig umgebaut wird. Absurdes teures Theater. Soll nur die Flächenstatistik aufgebessert werden? – fragt man sich beim Rundgang.

Denkmalpflegerisches Kleinod: Gartenbaudirektor Willy Alverdes hatte nach dem 2. Weltkrieg drei wunderschöne Gartenhöfe angelegt – mit Schutzmauer zur Turmstraße und unter einander durch Buchenhecken getrennt. Bänke wurden um ein quadratisches Flachwasser-Becken mit Seerosen angeordnet, die Bevölkerung konnte sich an Blumen und weiteren kleinen Wasserspielen erfreuen. Das Seerosenbecken ist mangels Pflege verbuscht und soll nun total beseitigt, mit Pflaster versiegelt und pflegeleicht gemacht werden. Wenn die Denkmalpflege unter Senator Michael Müller (SPD) nicht noch die Notbremse ziehen darf, stellt sich die Hauptstadtkultur und Grünpolitik in Mitte hier ein millionenschweres Armutszeugnis aus. Noch aber hat Herr Lingenauber, oberster Gartendenkmalpfleger Berlins, seine Unterschrift nicht unter diese Verhunzung des Kleinods Kleiner Tiergarten-Ost gesetzt.
Die Bürgerparkgruppe versucht, so erfahren wir beim Rundgang, seit Monaten möglichst viele der Qualitäten des Gartendenkmals vor der Zerstörung zu bewahren. Ortsgenaue Verbesserungsvorschläge, Listen der wertvollen blühenden Sträucher, Telefonate, Briefe, Kontakte zu Planern, Denkmal-Experten, Bezirksamt, Stadtteilvertretung und BVV ergänzten die wöchentlichen Pflegeeinsätze der Gruppe und ihrer Helfer.  Vor allem bietet sie ihre dauerhafte Pflegebereitschaft der Kernelemente des Gartendenkmals in einem Pflegevertragsentwurf dem Bezirksamt an, wenn diese vollständig erhalten werden. Teilnehmende BVV-Mitglieder und Parkfreunde vernahmen es mit Wohlgefallen. Doch – so ein Fazit – die Gruppe scheint auf verlorenem Posten zu stehen: Eingriffswillkür, Wettbewerbs ergebnis und Bund-Länder-Programm drängen auf Geldanlage. Bereitstehende 4 Millionen Netto-Baukosten und ihre gefügigen Diener und Profiteure sind stärker als sensible Bürgerinnen und ihre „verrückte Pflegebereitschaft“,stärker als das Bedürfnis vieler Anwohner nach naturnahem Stadtgrün, stärker als Klimaschutzanliegen und Gartendenkmalpflichten.
21. Juli 2013  KERN.