Zur Wahl und zur Funktion der Stadtteilvertretung

Am 14. März 2013 soll in der Heilandskirche eine „Stadtteilvertretung“ (STV) als Stimme der Bürgerschaft im Sanierungsgebiet Turmstraße gewählt werden. „Nach demokratischen Prinzipien“ laut Wahlordnung. Ohne Aussprache über einen Bericht der bisherigen STV. Wahl und Wirkungsmöglichkeiten der STV sind nach den bisherigen Erfahrungen (seit 2009) vor allem eine Alibi-Veranstaltung der Verwaltung. Auch wenn einige gutwillige Mitglieder der STV diese Erkenntnis verständlicherweise nicht an sich herankommen lassen.

Das Plangebiet um die Turmstraße wurde 2011 als Sanierungsgebiet ausgewiesen. Es gehört auch zum Bund-Länder-Programm „Aktive Orts- und Stadtteilzentren“ (AZ-Gebiet). Abgrenzungen siehe Rückseite des Bezirksorgans „ecke turmstrasse“. Als Erfolge von Protesten und Hausbesetzungen gegen Flächenabriss in Sanierungsgebieten der 1970er/80er Jahre gibt es in Berlin das Instrument der „Betroffenenbeteiligung“. Auch das Baugesetzbuch verlangt eine „Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen“ in Sanierungsgebieten (§ 137 BauGB).

In der Ausführungsvorschrift des Landes Berlin zur „Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen“ heißt es: „Das Wahlverfahren soll sicherstellen, daß möglichst jeder Betroffene an der Wahl teilnehmen kann und eine angemessene Vertretung der Betroffenengruppen erreicht wird“ (2. (2)) Genannt werden die Gruppen Mieter, Grundstückseigentümer, Pächter, Gewerbetreibende, freiberuflich Tätige und Arbeitnehmer.

Das ist in der geplanten Form der Wahl aber gar nicht möglich.

Wählen können nur Menschen, die am 14. März 2013 in die Heilandskirche kommen und hinein passen. Wenn’s hochkommt, 200-300 Leute. Im Wahlbereich wohnen und arbeiten – auch ehrenamtlich – etwa 30.000 Menschen. Sie alle dürfen wählen (soweit über16-Jahre alt).
300 Plätze in der Heilandskirche sind 1,0 % von 30.000.

Nur  e i n  Wahllokal für ca. 30.000 Wahlberechtigte mit nur 3 Stunden Öffnung an einem Termin abends stellt „demokratische Prinzipien“  in Frage.

Anders  z.B. bei BVV-Wahlen: hier gibt es schon für je 1.200 Wahlberechtigte ein Wahllokal, geöffnet von 8 – 18 Uhr und die Chance der Briefwahl.
99 % der Wahlberechtigten haben keine Möglichkeit, an der STV-Wahl in der Heilandskirche teilzunehmen.

Daher stellen sich Fragen zu demokratischen Standards der STV-Wahl:  

– Warum keine Briefwahl?
– Warum keine Wahl durch Geschäftsleute im Rahmen Geschäftsstraßenmanagement?
– Warum keine Wahl in betroffenen Gebieten Quartiersmanagement Moabit Ost und West?
– Warum keine Wahl in Alteneinrichtungen, Jugendtreffs?
– Warum keine Wahl in Moscheevereinen?  (Im Wahlgebiet leben ca. 30-40% Moslems)
– Kinder werden ständig als Interessengruppe der Planung eingespannt  –  aber warum dürfen sie dennoch nicht ihre STV-Vertreterinnen wählen?
– Warum keine  vollständige Kandidatenliste mindestens zwei Wochen vor dem Wahltermin ?
– Warum keine  Wählerlisten, wenn man doch den „demokratischen Anspruch“ hat ?

Die STV-Wahl am 14. März 2013 ist eine bloße Inszenierung von Bürgerbeteiligung.
Dennoch werden die pseudo-demokratischen Ergebnisse ernsthaft als Bürgervertretung vom Bezirksamt in Dienst genommen.

Wir bitten alle KandidatInnen und Gewählten, die sich trotz alledem engagieren wollen:

  • Verweigern Sie die Annahme der Ihnen zugeschriebenen „Betroffenenvertretung“, weil Sie diese tatsächlich aufgrund der Wahl-Inszenierung nicht haben können.
  • Geben Sie  a l l e  Anregungen von BürgerInnen unverfälscht dem Bezirk weiter, ohne Filter durch Geschäftsordnungs-  und Abstimmungsprozeduren in der STV.
  • Arbeiten sie konsensorientiert und aufgeschlossen!
    Arbeiten Sie anders als der Polit-Betrieb !

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Irreführende Angebote an STV-Kandidaten im Bezirksorgan „ecke turmstraße“

Die Sonderausgabe der „ecke turmstraße“ zur STV Wahl 2013 erweckt den falschen Eindruck, künftige StadtteilvertreterInnen könnten auf alle Entwicklungen des „Aktiven Zentrums“ und Sanierungsgebietes“ Turmstraße Einfluss nehmen: Verkehr, Grün, Wirtschaft, Handel, Mieten usw.  Gutwillig, aber illusionär stellen sich die 17 Kandidaten-Pioniere für die STV-Wahl mit ihren bevorzugten Arbeitsthemen in der „ecke turmstraße“  vor.

Tatsächlich zeigen der Stand der Planungen im Turmstraßengebiet und alle Erfahrungen beim Thema  Verkehr, beim Grün und bei der rechtskräftigen Planung des überdimensionierten Einkaufszentrums (Schultheiss-Areal), dass die neue STV in wesentlichen Fragen ohnmächtig ist.  Fraglich, ob das im Sanierungsgebiet für die Entwicklung der Mieten anders ist.

Die meisten Arbeitsinteressen der 17 Kandidaten-Pioniere gelten diesen Themen:
–  7 mal genannt:  Wirtschaft, Gewerbe, Handel, lokale Ökonomie
–  6 mal genannt Mieten, Sozialstruktur
–  6 mal genannt Verkehr
–  3 mal genannt Grün, Kleiner Tiergarten…

Auf diese gewünschten Arbeitsgebiete der STV-Kandidaten hat die STV jedoch praktisch kaum bzw. keinen Einfluß (mehr):

Gewerbe und Handel:

Weder die STV noch das Geschäftsstraßenmanagement hat sich intensiv mit den Folgen des geplanten Einkaufszentrums im Schultheissareal befasst, das mit 20.000 qm Verkaufsfläche (mehr als gesamte Turmstraße) und weiteren Merkmalen dem Ziel des „Aktiven Zentrums Turmstraße“  zuwiderläuft, die Turmstraße insgesamt als Geschäftsstraße (Stadtteilzentrum) zu stärken.
Das EKZ wird absehbar zur Verödung der Turmstraße  führen, obwohl der Stadtentwicklungsplan Zentren 3 des Senats solcher Entwicklung entgegen wirken will. Dieser wichtige Stadtentwicklungsplan wurde jedoch nie öffentlich in Moabit diskutiert (nach auswärts rühmt sich Berlin damit).

Die STV hat versagt – sie hätte zumindest eine öffentliche Informationsveranstaltung organisieren können. Wird die neue Stadtteilvertretung dazu eine Informationsveranstaltung organisieren?

>  Verkehr
Die Verkehrsplanung war nur formal und gegen Behörden-Widerstand für Bürgermitsprache offen. – Tatsächlich gab und gibt es fast keine Einflußchancen. – Die Planung ist auf der Turmstraße abgeschlossen; auf Alt-Moabit ist Stillstand verordnet (planungsbefangen wg. Straba-Option).  – Systematische Radverkehrsplanung (Angebotsstreifen) und bedarfsgerechte Rad-Abstellplätze gibt es nicht. –  Straßenbahnplanung nimmt prinzipiell keine Rücksicht auf den Kleinen Tiergarten. STV-Beschluss dazu ist Schall und Rauch.  –  Nebenstraßen bleiben vernachlässigt. – Korrektur fußgängerfeindlicher Ampelschaltungen wird vom Senat verweigert, ebenso Tempo 30 trotz gesundheitsschädlichen Verkehrslärms.
–  Die AG Verkehr der STV hat seit 2010 auf ihre konstruktiven Vorschläge weitgehende Ignoranz der Behörden-Planung erlebt.  Fast alles wurde von oben ignoriert, sabotiert – hoheitlich abgelehnt.  Die Idee wirksamen Bürgerbeteiligung  im „Aktiven Zentrum Turmstraße“ beim Verkehr ist blanke Illusion.

>   Grün
Die Planungen für Ottopark / Kleiner Tiergarten sind fast abgeschlossen. Hier bleibt die neue STV funktionslos.  Die alte STV hat ja bereits alle Pläne „im Großen und Ganzen“ bejubelt.  Aktiv werden könnte die neue STV in wenigen trostlosen Nebenstraßen (Jonas, Lübecker Str.) und für Straßenbäume im ganzen Plangebiet.

F a z i t :
Ohne STV wäre das Planungsergebnis im Turmstraßen-Gebiet nicht anders als es ist. 
Wofür braucht die Verwaltung das Feigenblatt „Stadtteilvertretung“?

Politik und Beteiligungskultur im Aktiven Zentrum und Sanierungsgebiet Turmstraße müssen geändert werden! – Wer macht es?

 Besprochen beim März-Treffen der Bürgerinitiative SilberahornPLUS